Typ 2 Diabetes ist eine Volkskrankheit geworden. Das hängt vor allem mit unserem Lebensstil zusammen. Was sind Syptome und wie lässt sich die Erkrankung behandeln?
Entsprechend der gemeinnützigen Gesundheitsorganisation diabetesDE gibt es aktuell in Deutschland rund 11 Mio. Menschen mit Diabetes, darunter 8,7 Mio. mit einem diagnostizierten Typ 2 Diabetes und 372.000 mit Typ 1 Diabetes. Das heißt 95% aller Diabetiker haben Typ 2 Diabetes. Zusätzlich gibt es eine Dunkelziffer, die man auf ca. 2 Mio. schätzt. Menschen also, die noch nichts von ihrer Erkrankung wissen.
Symptome ernst nehmen und abklären lassen
Bis zur Erstdiagnose dauert es ca. 8-10 Jahre. Nicht zuletzt, weil Krankheitszeichen zumeist erst in einer relativ späten Phase der Erkrankung auftreten.
Symptome können sein:
Allgemeines Schwächegefühl, Leistungsminderung
Müdigkeit, Antriebsarmut
Gehäuftes Wasserlassen
Verstärktes Durstgefühl
Gewichtszunahme
Depressive Verstimmung
Deshalb wird ein Screening empfohlen. Denn bei rechtzeitigem Erkennen kann das Risiko für einen Ausbruch eines Typ 2 Diabetes erheblich gesenkt und damit zur Prävention irreversibler funktioneller Störungen beigetragen werden.
Risikofaktoren
Menschen mit erhöhtem Diabetes Risiko sollte eine Untersuchung auf Diabetes angeboten werden. Dazu zählen:
genetische Vorbelastung d.h. eine positive Familienanamnese
höheres Alter
Adipositas
Hypertonie
erhöhter Fettspiegel
Fettleber
Schwangerschaftsdiabetes in der Vorgeschichte
obstruktives Schlafapnoesyndrom
Einnahme von Medikamenten, die den Glukosestoffwechsel verschlechtern (z.B. Cortison)
Durch eine vorhandene genetische Vorbelastung muss die Erkrankung nicht in jedem Falle zum Tragen kommen. Das Risiko einer Erkrankung erhöht sich aber durch ungesunde Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Rund ein Viertel aller Typ 2 Diabetiker ist übergewichtig und adipös. Vor allem das im Bauchraum angesiedelte Fettgewebe ist mehr als ein Energiespeicher. Es bildet Botenstoffe, welche die Stoffwechsellage des Diabetes verschlechtern können.
Nicht heilbar, aber gut behandelbar
Typ 2 Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, gekennzeichnet durch einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel. Der Grund ist, dass die Fähigkeit der Zellen (z.B. Muskel-, Fett- oder Leberzellen) abnimmt, auf Insulin anzusprechen, obwohl genügend Insulin vorhanden ist. Man spricht von Insulinresistenz. Das Insulin regelt maßgeblich den Zuckerhaushalt in unserem Körper.
Bei einer Insulinresistenz wird immer mehr des Hormons benötigt, um Glukose aus dem Blut in die Zellen zu bringen. Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) läuft auf Hochtouren. Irgendwann kommt die erhöhte Insulinproduktion zum Erliegen, die Blutzuckerspiegel bleiben dauerhaft erhöht und die Zellen werden nicht mehr mit ausreichend Glukose versorgt. Der erhöhte Blutzuckerspiegel ist Gift für die verschiedenen Organe.
Zahlreiche Folgeerkrankungen
Bei den Blutgefäßen wird die innere Schicht geschädigt, dadurch der Blutfluss in den Gefäßen behindert und die von ihnen abhängigen Organe werden nicht mehr ausreichend versorgt. Vordergründig sind zunächst kleinere Gefäße betroffen, man spricht von Mikroangiopathie.
Augen: Die diabetische Retinopathie ist noch immer die häufigste Ursache für Blindheit in der erwerbstätigen Bevölkerung.
Nieren: Ca. 40% der Typ-2-Diabetes-Patienten entwickeln eine Nephropathie (Nierenschädigung).
Das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, ist bei Typ-2-Diabetikern um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Aber auch eine Herzinsuffizienz ist eine späte Komplikation bei Typ 2 Diabetes.
Die diabetische Neuropathie ist eine Schädigung der Nervenzellen, am häufigsten in der Peripherie vorkommend (Missempfindung bis Taubheitsgefühle und Schmerzen).
Die Füße werden schlechter durchblutet, es treten Gewebeschädigungen ein und es besteht eine schlechte Wundheilung.
Auch Magen-Darm Irritationen sind häufig (z.B. Blähung, Verstopfung, Durchfall).
Ein weiteres betroffenes Organsystem ist das Immunsystem, was bei Diabetes geschädigt wird mit erhöhter Neigung zu Infektion, häufig im Urogenitalbereich (Harnwegsinfekte).
Typ 2 Diabetes, hoher Blutdruck, eine Störung des Blutfettprofils und Übergewicht treten oft zusammen auf und werden metabolisches Syndrom genannt.
Moderne Therapie: Patienten im Fokus
Eine neue Generation von Diabetesmedikamenten, die zu einer Appetits- und Sättigungsregulation im Gehirn führen und damit zur Gewichtsabnahme beitragen, bringen neue Hoffnungen in der Behandlung. Auch wenn es keine Heilung gibt für Typ 2 Diabetes, lässt er sich in einen Zustand bringen, in dem keine Medikamente mehr benötigt werden. Lebensstilmaßnahmen wie Ernährungsumstellung und Bewegung tragen dazu bei.
Die Auswahl diabetesspezifischer Medikation sowie die Komplexität des Therapieregimes sollten zudem im guten Einklang mit der Lebenssituation des Patienten und in enger Abstimmung mit diesem getroffen werden. Dabei sind auch die bereits eingetretenen Folgeerkrankungen zu berücksichtigen und der Behandlungserfolg sollte regelmäßig kontrolliert werden.
Bewegung als Schlüssel
Die Bewegung ist für alle Formen des Diabetes mellitus einer der wichtigsten Maßnahme, um die Gesundheit zu erhalten, ganz nach dem Motto »Laufen ohne Schnaufen«.
In verschiedenen Organsystemen und Zellen (Muskulatur, Nerven, Gefäßen, Immunsystem oder Gehirn) werden Anpassungs- und Reparaturmechanismen ausgelöst, die helfen können, Krankheiten abzuwehren. Für Ältere ist zusätzlich ein Gleichgewichtstraining empfohlen. Um bei älteren Menschen Erfolg zu haben, müssen Bewegungsprogramme deren körperliche Fähigkeiten, den altersbedingten Leistungsabbau, krankheitsbedingte Beeinträchtigungen, aber auch ihre Interessen, soziale Bindungen und Lebensgewohnheiten berücksichtigt werden.
Dabei bilden diese auch eine gute Gelegenheit, neue Gemeinschaften zu bilden, etwa beim Wandern, Nordic-Walking, Fahrradfahren, Schwimmen oder bei Gymnastik. Im Rahmen von ambulanten Diabetesgruppen werden solche Aktivitäten angeboten.
Hinzu kommen neue Diabetestechnologien (z.B. Blutzuckermessungen) für die Sicherheit von Patienten. Gefährliche Situationen wie Hypoglykämien (Unterzuckerung) können so reduziert und zügig stabilisiert bzw. vermieden werden. Damit bieten sie mehr Sicherheit und Lebensqualität im Alltag.
Bei einer Diagnose gilt es, Diabetes mellitus als ständigen Begleiter zu akzeptieren. Mit den richtigen Behandlungsmethoden, Zuversicht und der nötigen Geduld gelingt es aber, die Krankheit in Schach zu halten und (weitere) Folgeschäden zu verhindern.
*
Autorin: Dr. med. Christine Mühlig ist Fachärztin für Innere Medizin, Physikalische und Rehabilitative Medizin. Sie arbeitet seit 1987 im Eisenmoorbad als internistische Oberärztin für innere Diagnostik.
Foto: cottonbro studio (Pexels)