Von geraubten Äpfeln, Weissagungen und Hexentreiben

Sie sind das Sinnbild des Lebens, des Vergehens und Wiederauferstehens. Sie überdauern Jahrhunderte und trotzen jedem Sturm. Bäume faszinieren uns Menschen seit Urzeiten.

Es war der Baum der Erkenntnis, der uns zum Verhängnis wurde. Seine Früchte waren zu verlockend, als dass Eva und Adam hätten widerstehen können. Was auch immer es für eine Frucht war: Wer schon einmal einen Apfel, Kirschen oder Feigen frisch vom Baum gepflückt und gegessen hat, kann nachvollziehen, wie es zu diesem für die Menscheit einschneidenden Ereignis kam – und kommt vielleicht zum Schluss, dass die Schlange wohl gar nicht so viel Überredungskunst benötigte.

Heilige Bäume aus aller Welt

Mythen und Sagen rund um Bäume ziehen sich durch die ganze Menschheitsgeschichte. Einer der berühmtesten ist der Weltenbaum Yggdrasil aus der nordischen Mythologie. Die riesige Esche umspannt den gesamten Kosmos, von der Oberwelt und dem Sitz der Götter über die Erde bis hin zur Unterwelt. Die drei Nornen sitzen neben dem mächtigen Stamm und spinnen am Schicksal der Menschheit. Der erste Mann soll aus dem Holz einer Esche entstanden sein (die erste Frau aus einer Erle) , und Druiden wie Hexen wird nachgesagt, dass sie mit geschnitzten Eschestöcken Regen herbeizaubern konnten.

Heilige Bäume finden sich in fast allen alten Kulturen. Im Ägypten der Pharaonen war es der Isched-Baum, der mit dem Sonnengott Re und anderen Gottheiten in Verbindung gebracht wurde. In Mesopotamien verehrten die Menschen den Baum von Eridu, in Indien den Asvattha-Baum, im Islam den Sidrat al-Muntaha, bei den Maya den Yax Cheel Cab als ersten Baum überhaupt und den Wacah Chan als Weltenbaum. Die Symbolik ist immer ähnlich: Die Bäume stehen für das Leben im Allgemeinen, für Fruchtbarkeit und Entstehen, aber auch für die kosmische Ordnung, für Unsterblichkeit wie der Pfirsichbaum in China oder für das Erwachen wie der Bodhibaum im Buddhismus.

Ewige Jugend und Antworten auf alle Fragen

In der griechischen Mythologie gab es einige Aufregung um den Baum der Hesperiden – ein Apfelbaum, dessen Früchte den Göttern ewige Jugend verliehen. Entsprechend gut bewacht waren sie, einerseits von Nymphen (den Hesperiden eben) und andererseits (weil doppelt besser hält) von einem Drachen namens Ladon. Dennoch gelang es Herakles, die Äpfel in seinen Besitz zu bringen – schließlich hatte er die ihm auferlegten 12 Aufgaben hinter sich zu bringen, und der Raub der Äpfel gehörte genauso dazu wie die Tötung der neunköpfigen Hydra. Am Ende wurden die Äpfel aber wieder zurückgebracht, denn natürlich wollten die Götter nicht auf ihre ewige Jugend verzichten.

Die Eiche hatte ebenfalls ihre großen Auftritte, gerade im antiken Griechenland. Neben Delphi gab es ein weiteres bekanntes Orakel, das von Dodona. Und hier stand eine Eiche, die als Sprachrohr von Zeus, dem Vater aller Götter, galt. Priester beantworteten Fragen der normal Sterblichen, indem sie dem Rauschen der Blätter lauschten.

In Deutschland kam es durchaus vor, dass Eichen dem Eifer von Kirchenmännern zum Opfer fielen. Die Donar-Eiche in Geismar (einem heutigen Stadtteil von Fritzlar in Nordhessen) zum Beispiel, die dem germanischen Gott Thor gewidmet war. Und in Buckenhofen in Oberfranken wurde eine Eiche gefällt, weil sich hier vorab in der Walpurgisnacht Hexen im Geäst aufhielten.

Liebesglück und Schreckgespenster

Und natürlich sind Bäume auch immer wieder Teil von Traditionen und Bräuchen. Die Birke beispielsweise versinnbildlicht wie kaum ein anderer Baum den beginnenden Frühling – und damit verbunden auch aufkeimende Frühlingsgefühle. Kein Wunder, dass es hauptsächlich Birken sind, die – mit farbigen Bändern geschmückt – in einigen Regionen Deutschlands von jungen Männern als Maibäume im Garten oder am Haus der Angebeteten aufgestellt werden, um sich das Liebesglück zu sichern.

Dem Weißdorn wurde eine große Schutzwirkung nachgesagt. Als Heckenpflanze hielt er Böses fern – und als Material für Kinderwiegen sorgte er dafür, dass Babys des Nachts nicht von niederträchtigen Wesen ausgetauscht wurden. Außerdem sollen Elfen gerne im Weißdorn hausen. Bunte Stoffstücke, aber auch Haare wurden in die Äste geflochten in der Hoffnung, so die Elfen zu guten Taten zu bewegen.

Bäume und vor allem Wälder als Ganzes verbreiteten aber auch Angst und Unbehagen. Vor allem im Mittelalter vermieden es die Menschen, sich bei Dunkelheit noch im Wald aufzuhalten. Sie glaubten, dass Geister und Dämonen hier ihr Unwesen treiben. Erst später, in der Romantik und insbesondere im Zuge der zunehmenden Industrialisierung, wurde der Wald zu dem, was er für uns heute ist: Eine Oase der Ruhe, ein Rückzugs- und Kraftort.

***

Autorin: Constanze Zepperitz, 1973 geboren, arbeitet seit 2005 im Eisenmoorbad als Leiterin Garten- und Parkpflege. Sie studierte in Nürtingen und ist Dipl.-Ing. für Landespflege (FH).

Tags :