Im Atelier hört man das Telefon kaum. Deshalb muss man viel Geduld haben, wenn man mit Ingrid Pathe oder Jürgen Buro telefonieren will. Ganze Tage und manchmal auch Nächte verbringen die beiden in ihrem Keller-Atelier, umgeben von Wannen voll Schmiedeberger Ton, Brennöfen, unzähligen, penibel geordneten Werkzeugen, halbfertigen Werken und einem Radio, aus dem immer etwas zu laut ein Hörspiel, Jazzmusik oder auch ein Feature dröhnt.
Hier fühlen sich Pathe und Buro am wohlsten, wenn sie gemeinsam arbeitend ihre Zeit verbringen, Keramiken aufbauen, Silberdrähte für Halsketten oder Armbänder biegen und drehen, wenn sie manchmal nur einen Klumpen Ton ansehen, um herauszufinden, was daraus wohl werden soll. Hier unten im Atelier gefällt es den beiden so gut – wozu dann ans Telefon gehen?
Mit Keramik zu arbeiten ist für Ingrid Pathe und Jürgen Buro schon mehr als nur eine Leidenschaft. Seit gut 40 Jahren suchen die beiden nach der Form, nach der Technik, nach dem Brand, der die Keramik perfekt macht. Logisch, dass in 40 Jahren Suche so mancher Weg beschritten und als falsch erkannt wurde. Doch es ist auch klar, dass in derart langer Zeit eine Menge Erfahrungen zusammen gekommen sind, die sich – und sei es nur als Erinnerung – in jedem einzelnen Stück wiederfinden.
Experimentieren und geschehen lassen
Wenn beiden heute Keramik sowohl als Gebrauchsobjekt wie auch als dekoratives Element sehen, wenn es heute Glasuren nur als Reminiszenz auf den Oberflächen gibt und die Oberflächentexturen mehr und mehr wie altes oder gar fossiles Holz wirken, dann war das bis zum Auffinden dieser Formensprache eine lange Zeit im Keller.
Einst war der Fayence-Stil das Mittel ihrer Wahl: Glatte Glasuren mit aufgemalten zartblauen Blumen, die beinahe schüchtern glänzten. Dann experimentierten sie mit der Töpferscheibe und entdeckten rasch die Grenzen der Form. So ein drehendes Rad erzwingt nun einmal das Runde. Das war ihnen nicht genug. Für ihre eigenen Objekte bevorzugen sie das Unrunde, die freie Wahl des Grundrisses, Formen, die aus den Fugen geraten, wie durchlöcherte Kugeln oder Röhren mit Schlagseite. Das wirkt spontan und ist doch langsam und konzentriert aufgebaut.
Schon in ihrer Entstehung ist die Vollendung in der oft graphischen Farbgebung mitgedacht. Ingrid Pathe und Jürgen Buro versuchen, der fast nicht zu kontrollierenden und verborgenen Farbreaktion der Metalloxide in den bis zu mehr als 1000 Grad heißen Brennöfen, Zügel anzulegen und freuen sich doch, wenn der Brand sich diesem Ziel widersetzt und seine eigene Linie gegen den Einfluss der Macher durchsetzt.
Inzwischen haben Ingrid Pathe und Jürgen Buro das Brennen für ihre Zwecke perfektioniert. Es sind manchmal nur minimale Temperaturunterschiede, die aus ein und derselben Glasur völlig verschiedene Farben entstehen lassen. Die Keramiken werden meist mit verschiedenen Reduktions- oder Rakuverfahren gebrannt, bei denen dem heißen Ofen jeglicher Sauerstoff entzogen wird und den Oxiden nichts weiter übrig bleibt, als selbst Sauerstoff abzugeben und die oxidierten Metalle wiedererscheinen zu lassen. So finden sich nicht selten Adern von Kupfer und anderen Metallen auf dem groben Ton, wie Flöze im Innern der Erde. Oder verbrannter Kohlenstoff frisst sich in die Oberfläche des Tons und hinterlässt ein tiefes, raues Schwarz. Karbonisierung nennen das die Fachleute. Ingrid Pathe und Jürgen Buro nennen es schön und viele ihrer Kunden auch.
Von Schmuckstücken, Gartenbesuchern und Engeln
Inzwischen widmen sich beide Künstler auch wieder Kleinerem, wie der Gestaltung von extravagantem Schmuck. Sie versuchen Oberflächen und Texturen der großen Objekte in Schmuckelemente zu übertragen. Grobe Strukturen finden ihren Weg ins Filigrane. Gegensätze nähern sich einander an und werden zur Zierde ihrer Trägerinnen.
Dann ist da noch die Gartenkunst, die eine neue Facette in der Arbeit von Ingrid Pathe und Jürgen Buro eröffnet. Sie erfinden kunstvoll gestaltete „Gartenbesucher“, die mit neugierigen Gesichtern aus den Bäumen gucken, Stelen, die sich in den Wind stemmen oder einfach nur fröhlich, bunte Formen, die beinahe spielerisch in einen Schönheitswettbewerb mit den Blumen und den Bäumen treten.
In all den Jahren ihres Schaffens lässt sich das Künstler-Paar von Engeln begleiten. Anfangs waren das noch putzige kleine Figürchen mit Flügeln, die sich inzwischen zu eigenwilligen Wesen mit Charakter entwickelten.
Wollte man die Arbeit von Pathe und Buro über die vergangenen Jahre zusammenfassen, bliebe wohl nur die Formel „Beständigkeit im Wandel“. Die Entwicklung hört nie auf. Es gibt noch viel zu tun im Keller-Atelier.
Autor: Axel Nixdorf, 1966 in Dessau geboren, studierte in Tübingen und Mainz. Er arbeitet freischaffend als Journalist und Filmemacher.