Am 17. Mai vor 200 Jahren wurde Sebastian Kneipp geboren. Dass heute noch Menschen in Deutschland und der ganzen Welt seinen Namen kennen und in Kurorten wie Bad Schmiedeberg Therapien nach seinen Empfehlungen angewendet werden, ist alles andere als selbstverständlich. Denn leicht hatte er es wahrlich nicht, der Weber-Baschtl aus dem Allgäu. Aber Kneipp wäre nicht Kneipp, hätte er jemals aufgegeben oder sich unterkriegen lassen.
Todgesagt, verspottet und abgestraft – Kneipp muss im Laufe seines Lebens viele Täler durchqueren. Am Ende aber gelangt er zu Weltruhm. Menschen von nah und fern pilgern zu ihm. Und sogar der Papst will sich von ihm behandeln lassen.
Der Traum vom Theologiestudium
Am Anfang allerdings steht das Elend: Kneipps Kindheit ist geprägt von Armut, Hunger und harter Arbeit. Die Stunden, die er im feuchten, staubigen Keller am Webstuhl verbringt, ruinieren schon früh seine Gesundheit. Doch Kneipp ist zäh – und hat eine schier unbändige Willenskraft. Er will Theologie studieren und setzt alles daran, dieses Ziel zu erreichen. Auch wenn alle Zeichen zunächst dagegen sprechen: Denn vergeblich sucht er in den umliegenden Pfarrhäusern einen Mentor. Und der Plan, mit dem mühselig zusammengesparten Geld wegzugehen, verglüht an seinem 21. Geburtstag im Feuer, das sein ganzes Elternhaus niederbrennt.
Schließlich klappt es doch: Er erhält Unterricht bei einem Kaplan, wird mit 23 Jahren ins Gymnasium aufgenommen und steht nach bestandenem Abi endlich vor der Erfüllung seines Traums. Allerdings nur, um von den Ärzten zu hören, dass seine Lunge so stark in Mitleidenschaft gezogen ist, dass es keine Rettung mehr für ihn gebe.
Der Eisbär gewinnt ein zweites Leben
Das Studium lässt sich Kneipp dennoch nicht nehmen. Und mithilfe eines Buches, das er in der Universitätsbibliothek findet, beginnt er sich selber zu therapieren. Die von Johann Siegemund Hahn beschriebene Kraft des Wassers fasziniert ihn. Kneipp springt zunächst mehrmals wöchentlich in die Donau in Dillingen (selbst bei eiskalten Außentemperaturen von minus 15 Grad), dann in den Springbrunnen vom Georgianum in München. Und so erreicht der Eisbär, wie er von seinen Mitstudenten genannt wird, das Unmögliche: Kurz vor seiner Priesterweihe erhält Kneipp ein neues ärztliches Attest. Diesmal ist er kerngesund – und hat gleichzeitig den Grundstein für seine spätere Gesundheitslehre gelegt.
Helfer in der Not
Den Anspruch, Arzt zu sein, erhebt Kneipp von sich aus nie. Was ihn antreibt, sein Tätigkeitsprofil über die reine Arbeit als Geistlicher hinaus auszuweiten, ist das Leid der Menschen, denen er begegnet. „Ich habe nichts gesucht oder getan, als wozu mich die eigene Not und das Mitleid mit den Leidenden getrieben hat“, zitiert ihn Christian Feldmann in der Biografie „Sebastian Kneipp – der fünfzehnte Nothelfer“. Die Seelsorge bringe ihn nun mal oft an Krankenbetten. Das trägt er auch immer wieder zur Verteidigung vor – sei es sich selbst gegenüber, weil er mit seiner Doppeltätigkeit ebenfalls hadert, oder sei es den kirchlichen und gerichtlichen Obrigkeiten gegenüber, weil ihn immer wieder Klagen erreichen, die ihn als Kurpfuscher verunglimpfen wollen.
Bier, Bienen und Heilkräuter
Eine prestigeträchtige Stelle in München bleibt ihm deswegen verwehrt. Dafür wird er nach Bad Wörishofen einberufen, wo er bis zu seinem Tod wirken wird – und zwar längst nicht nur als Beichtvater und Geistlicher im Dominikanerinnenkloster und Seelsorger im Ort. Kneipp widmet sich der Landwirtschaft, der Imkerei und der Viehzucht, kümmert sich um das Waisenhaus und die Mädchenschule des Klosters, braut Bier. Und natürlich widmet er sich weiter seinen Gesundheitsstudien: Im Klostergarten wachsen seine Heilkräuter und die Waschküche wird zum Therapieraum für Wasseranwendungen.
Denn Kneipps Erfolge sprechen sich herum. Immer mehr Menschen pilgern zu ihm, um sich behandeln zu lassen. Vor allem einfachen, mittellosen Leidenden hilft er, ohne etwas dafür zu verlangen. Immer steht die Nächstenliebe im Zentrum seines Wirkens. Auch wenn er zuweilen loswettern kann. Um den heißen Brei herum redet er nie, vielmehr macht er schon seinen Mitmenschen deutlich: „Gesund bleiben und lang leben will jedermann, aber die wenigsten tun etwas dafür.“
Papstaudienz und UNESCO-Ehre
1886 veröffentlicht Kneipp sein Standardwerk „Meine Wasserkur“. Und seine Bekanntheit wächst weiter. Er wird an den Hof des Prinzregenten Luitpold von Bayern gerufen – und zu einer Audienz in den Vatikan. Denn selbst Papst Leo XIII. interessiert sich für die Wasseranwendungen und will es sich nicht nehmen lassen, persönlich vom Wasserdoktor aus Bayern zu lernen.
Gegen seinen eigenen wachsenden Tumor im Bauch kommt Kneipp jedoch nicht an. Am 17. Juni 1897 stirbt er im Alter von 76 Jahren. Seine Lehre aber lebt weiter und die Anwendungen, die er über all die Jahre verfeinert und weiterentwickelt hat, werden in Kurorten, Kneippvereinen und privat nach wie vor praktiziert. Sie sind, wie die UNESCO 2015 bei der Aufnahme in die Liste des Immateriellen Kulturerbes erkannt hat, gelebte Tradition. Das hängt vor allem auch damit zusammen, dass Kneipps 5-Elemente-Konzept ganzheitlich ausgelegt ist, um Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Und es besticht mit Einfachheit, wie er selbst einmal erklärte: „Mein ganzes Unternehmen ist für alle Menschen bestimmt, und mein höchster Wunsch ist nur der, dass alle Menschen in die einfache Lebensweise eindringen, sich mit derselben begnügen, dabei glücklich werden und auch dem Nebenmenschen behilflich sein möchten.“
Autorin: Bettina Bichsel bloggt für das Eisenmoorbad rund um Lesenswürdiges, Medizinisches, Gesundes und Kneipp-Spezifisches.