In wenigen Tagen ist es so weit: Dank der offenen Friseursalons werden wir wenigstens den Blick in den Spiegel wieder ertragen. Und die frühlingswarmen Temperaturen lassen die leise Hoffnung auf weitere Lockerungen ebenfalls aufkeimen. Das heißt, wir können wieder anfangen, uns zu freuen – auf Dinge, die in den letzten Monaten nicht möglich waren. Denn Vorfreude ist doch immer noch die schönste Freude. Oder?
Um die Antwort auf die Frage vorwegzunehmen: Ja, Vorfreude macht tatsächlich glücklich. Wie oft im Leben ist es allerdings dann doch nicht ganz so einfach. Es gibt ein paar Fallen, in die man tappen kann. Aber wer die Klippen kennt, kann sie durchaus umschiffen.
Schauen wir zunächst, was Forschende zum Thema Vorfreude herausgefunden haben. Wenn wir in freudiger Erwartung in die Zukunft blicken, schüttet unser Gehirn Glückshormone wie Dopamin oder Endorphine aus. Gleichzeitig wird die Produktion von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol heruntergefahren. Wir profitieren also in doppelter Hinsicht.
In einer Befragung in den Niederlanden zeigten sich Menschen, die gerade mitten in der Urlaubsplanung waren, am glücklichsten. Relativ bald nach der Rückkehr war dieses Gefühl allerdings wieder weg und die Urlauber*innen waren nicht zufriedener als ihre Arbeitskolleg*innen, die nicht weg waren.
Was sich jedoch laut einer Untersuchung in den USA sagen lässt, ist, dass die Vorfreude auf ein Erlebnis wesentlich fröhlicher stimmt als die Vorfreude auf etwas Materielles. Wer sich das neuste Smartphone bestellt oder sich entschieden hat, ein Auto zu kaufen, verspürt demnach zwar ebenso freudige Aufregung wie jene, die einer Reise oder einer Veranstaltung entgegenfiebern. Allerdings ist dieses Gefühl nicht nur weniger ausgeprägt, es kippt auch eher in Ungeduld und ist damit negativ konnotiert.
Damit wären wir auch schon bei den Klippen, die es zu umschiffen gilt, wenn wir so richtig (und eben wohltuend) in Vorfreude schwelgen möchten. In Zeiten von Amazon, Lieferando, Easyjet und einem Überangebot an allem, was das Herz begehrt, sind wir es gewohnt, Bedürfnisse mehr oder weniger sofort befriedigen zu können. Corona hat uns in dieser Hinsicht zwar auf den Boden der Realität zurückgeholt. Doch liegt wohl auch hierin ein Grund, weshalb viele Menschen die Monate der Einschränkungen als belastend empfinden. Wir sind es nicht gewohnt, unserer Möglichkeiten beraubt zu werden. Und Geduld ist schwer aufrechtzuerhalten, wenn ungewiss ist, wie lange das Warten noch andauern soll.
Ungeduld, aber auch konkrete Erwartungen trüben die positiven Aspekte der Vorfreude. Denn je detailgenauer wir uns in unserer Vorstellung ausmalen, wie etwas sein soll, desto größer ist die Gefahr, dass die Realität eben nicht zu 100 Prozent diesem Ideal entspricht. Damit ist die Enttäuschung vorprogrammiert.
Vorfreude hingegen ist in ihrem Wesen abstrakter. Sie lebt von der Neugier, von Ungewissheit in positivem Sinn, von der Möglichkeit der Überraschung. Und sie kann uns viel über uns selbst verraten: Worauf genau freuen wir uns? Warum? Was scheint uns wirklich wichtig zu sein, dass es uns bereits im Voraus ein so intensives Gefühl beschert?
Was auch immer es ist, das Ihnen bei diesen Fragen ein Lächeln ins Gesicht zaubert – genießen Sie die Vorfreude darauf. Nur vergessen Sie bei allem Schwelgen nicht ganz, dass auch die Gegenwart, so herausfordernd sie gerade sein mag, viel Schönes bereithält.
Autorin: Bettina Bichsel bloggt für das Eisenmoorbad rund um Lesenswürdiges, Medizinisches, Gesundes und Kneipp-Spezifisches.