Ganzheitlicher Gesundheitsansatz mit jahrtausendealter Tradition

Ob bei Krankheiten, drohendem Burn-out oder zur Erholung – eine Kur stärkt die Gesundheit. Und selbst wenn heute modernste Medizin und die Anwendung natürlicher Heilmittel Hand in Hand gehen, bleibt die Essenz einer Kur dieselbe wie vor tausenden von Jahren: Im Fokus steht die Gesundheit eines Menschen auf allen Ebenen von Körper, Geist und Seele.

Wer ans Kuren denkt, mag Bilder vor Augen haben von adligen Damen in prunkvollen Gewändern, die durch blühende Parkanlagen streifen. Von Zarenfamilien, Großindustriellen und Künstlern, die sich in den Sommermonaten in den mondänen Kurorten die Zeit vertrieben, wobei das Gesundheitliche ohne Frage wichtig, das Gesellschaftliche aber mindestens von genauso großer Bedeutung war.

Das Kurwesen in Europa blühte im 19. Jahrhundert und über die Jahrhundertwende hinaus. Den Grundgedanken des Kurens aber entdeckten die Menschen bereits lange davor. Im alten Ägypten badete nicht nur Kleopatra in Eselsmilch; Schlamm aus dem Nil wurde schon vor 4.000 Jahren für Moorbäder verwendet. Und in Indien entstand wohl etwas später die ayurvedische Lehre, die auf Ernährung, Pflanzenheilkunde, Massagen, Ölgüssen, Wärmedampfbädern und Yogaübungen beruht, aber auch die Wirkung von Farben, Klängen und Gerüchen miteinbezieht.

Zudem waren im antiken Griechenland und später bei den Römern Badeanstalten und Thermalbäder beliebt. Längst kam man nicht nur hierhin, um sich zu waschen. Auch Geschäfte wurden beim gemeinsamen Bad abgeschlossen, philosophische Gespräche geführt, vielleicht sogar politische Ränke geschmiedet. Ein Vorläufer unserer heutigen Kurorte befand sich in Epidauros auf dem Peloponnes. Errichtet als Heiligtum für Asklepios, den Gott der Heilkunst, umfasste die Anlage vieles, was wir heutzutage auch vorfinden, wenn wir zur Kur fahren: Brunnen mit Heilwasser, ein Gästehaus, ein Theater, eine mit Säulen gesäumte Wandelhalle, eine Bibliothek, einen Fitnessraum. Hinzu kamen ein Tempel und andere sakrale Bauten sowie ein Sportstadion. Aufgrund der Funde stellt man sich den Ablauf einer Therapie oder eben Kur so vor, dass die Patient*innen sich zunächst an einem Brunnen wuschen, danach ein Opfer brachten und sich im sogenannten Abaton schlafen legten mit dem Ziel, von Asklepios im Traum die erfolgversprechendste Behandlungsmethode zu erfahren. Wenn die Eingebung ausblieb, gab es immer noch die Möglichkeit, sich auf etwas weltlicherer Ebene mit einem Priester über die Therapie zu unterhalten. Angeordnet wurden Bäder, Entspannungsmethoden oder medikamentöse Behandlungen. Daneben konnten sich die Patient*innen kulturell vergnügen oder sportlich betätigen.

Im orientalischen Raum traf man sich in Hamams – zunächst hauptsächlich die Oberschicht, angesichts der im Islam bedeutenden rituellen Waschung dann jedoch alle Bevölkerungsschichten. Auch diese Badekultur kam mit den Rückkehren der Kreuzzüge nach Europa und vermischte sich mit hiesigen Praktiken. In den Badestuben des Mittelalters gab es Dampf- und Kräuterbäder. Und es ging – sehr zum Missfallen der Kirche – gesellig zu und her. Allerdings setzten die Pest, Cholera und andere Krankheiten dem Treiben erst mal ein Ende. Das gemeinsame öffentliche Baden geriet in Vergessenheit; und wer braucht schon Wasser, wenn es Parfüm und Puder gibt.

Die Renaissance des Bäderwesens und die Geburt der eigentlichen Kur kam mit der Aufklärung. Im 18. Jahrhundert entstanden die ersten Kurorte – allen voran im belgischen Spa und in England beispielsweise in Bath oder Brighton. Im 19. Jahrhundert folgten deutsche Orte, zunächst Ostseebäder, aber bald auch andere Thermal-, Mineral- oder Moorbäder. Während der Adel früher die warmen Monate in den Sommerresidenzen auf dem Land verbracht hatten, ging man nun zur Kur. Nach und nach gesellten sich zahlungskräftige Bürger*innen, aber auch Künstler*innen hinzu. Von Goethe beispielsweise wird berichtet, dass er fast 30 Mal zur Kur gefahren sei. Davon zeugt unter anderem sein Gedicht „Marienbader Elegie“, in dem der über 70-Jährige sein Bedauern über die Zurückweisung der 54 Jahre jüngeren Ulrike von Levetzow kundtut, die er im Sommer 1821 im böhmischen Kurort in Begleitung ihrer Mutter kennenlernte. Goethe wollte damals nicht nur Kurschatten sein, sondern hielt – aber eben vergeblich – um die Hand der jungen Frau an.

Es zeigte sich also erneut, dass Kurorte und Heilbäder weit mehr waren als Zentren der Gesundheit. Wie Andreas Förderer in seiner Vergleichsstudie „Playgrounds of Europe – Europäische Kurstädte und Modebäder des 19. Jahrhunderts“ schreibt, waren sie darüber hinaus „Freizeitziel, Sommerfrische, Ruhe- und Alterssitz, Exilort, politischer und sozialer Begegnungsort, Ort für diplomatische Verhandlungen, Heiratsmarkt, Vergnügungs- und Kulturort, Glücksspielzentrum, Einkaufsort, internationaler Treffpunkt“. Und nicht nur das: Gerade die mondänen Kurorte der damaligen Zeit würden auch beispielhaft für folgende gesellschaftliche Entwicklungen stehen, die das 19. Jahrhundert prägten:

  •  „eine Demokratisierung der Gesellschaft (als Folge der Aufklärung),
  • die zunehmende Bedeutung von Freizeit und Kultur für breite Schichten der Gesellschaft und
  • die grenzüberschreitende Vernetzung und gegenseitige Beeinflussung der Gesellschaft in Europa

Heute bestehen in ganz Deutschland über 350 Kurorte und Heilbäder. Und die historischen Bauten und Parkanlagen, eingebettet in reizvolle Umgebungen, tragen dazu bei, dass die Gäste genau wie damals ihrem eigenen Alltag entfliehen können und dank der Heilkraft der Natur, klassischen Heilverfahren und Wellnessbehandlungen, Freizeitaktivitäten und kulturellen Angeboten ihrer Gesundheit ganzheitlich Gutes tun.

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