Vom abwesenden Goethe und einem wiedererwachten Theaterspektakel

Vom abwesenden Goethe und einem wiedererwachten Theaterspektakel

Die Rehapatienten und Kurgäste vergessen lassen, was sie hergeführt hat. Ihnen Mut machen und sie zum Lachen bringen. Dafür haben Ilona Knobbe und Rainer Gohde 2001 das Kurtheater in Bad Schmiedeberg wieder zum Leben erweckt. Und dafür spielen und inszenieren sie jeden Monat – von klassisch bis modern, auch mal ernst und politisch, aber vor allem erheiternd und das Leben in all seinen Facetten feiernd.

„Hat er nun oder hat er nicht?“ Die Frage steht auch heute noch im Saal, wenn Charlotte von Stein vor uns auf der Bühne steht und sich während rund 90 Minuten über Goethe auslässt, ihn beschimpft, sich über sein Verhalten mokiert. Unklar bleibt nach wie vor, ob die Beziehung zwischen der Hofdame und dem Dichterfürsten rein geistig-platonischer oder auch physischer Natur war. Sicher ist nur, dass sie den Heiratsantrag, auf den sie (zumindest in der Inszenierung) an besagtem Abend wartet, nie erhalten hat. 

Mit „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ feierte das Kurtheater Bad Schmiedeberg im März 2001 Premiere. Für Ilona Knobbe war das, wie sie heute sagt, auch „ein krönender Abschluss“ ihres Theaterengagements in Frankfurt an der Oder. Charlotte von Stein war eine der letzten Rollen, die sie vor der Schließung des Kleist-Theaters im Jahr 2000 gespielt hatte. Bühnenausstattung und Kostüme konnte sie als Abschiedsgeschenk mitnehmen.

Mit Rainer Gohde hatte die gebürtige Leipzigerin bis dahin bereits in verschiedenen Produktionen und Projekten zusammengearbeitet. Als auch das Mitteldeutsche Landestheater in Wittenberg, an dem Gohde als Schauspieler, Regisseur und Schauspieldirektor tätig gewesen war, schließen musste, kam die gemeinsame Idee eines Sommertheaters in der Dübener Heide auf. Dazu kam es zwar nicht, dafür entdeckten die beiden in Bad Schmiedeberg den großen Kursaal. „Wir waren beeindruckt und sagten uns: ‚Das ist Theater, hier müssen wir rein!‘“, erinnert sich Ilona Knobbe. Kein Wunder, denn nach der Eröffnung des Jugendstil-Kurhauses 1907 gehörten Theateraufführungen im großen Saal mit zum Stolz des Eisenmoorbades, das Gäste aus nah und fern anzog.

Bis dieser Geist zurückkehrte, dauerte es allerdings einen Moment. „Wir dachten ja ‚Theater! Theater!‘, da werden nun alle hinströmen“, blickt die 71-Jährige auf die Anfangszeit zurück. Aber die Patienten und Kurgäste brauchten etwas länger, um sich an das neue Angebot zu gewöhnen. Nicht aufgegeben zu haben und selbst dann zu spielen, wenn sich das Publikum an einer Hand abzählen ließ, erfüllt Ilona Knobbe heute mit Stolz. Und letztlich zahlte sich dieser Durchhaltewillen aus: „Heute bedanken sich die Gäste für die Möglichkeit, während der Kur oder Reha ins Theater gehen zu können. Manche kommen während ihres Aufenthaltes zu jeder unserer Vorstellungen.“

Das Repertoire des Kurtheaters reicht von kabarettistischer Unterhaltung (‚Irren ist menschlich‘, ‚Lachen im Gartenparadies‘) über Revue-Abende mit Chansons aus dem Berlin der 1920er Jahre und Musicals (‚Zarah Leander – ein einsamer Geburtstag‘) bis hin zu ernsten, politischen Stücken (‚Die amerikanische Päpstin‘). Neben Ilona Knobbe und Rainer Gohde tritt Jürgen Hilbrecht in verschiedenen Rollen auf. Ralf Ehrlich begleitet das Trio als Pianist des Kurtheaters.

Beliebt sind zudem die Lesungen unter dem Titel ‚Salongeschichten am Kamin‘. Dabei wird bei Satirischem gelacht, bei Kriminalistischem gerätselt und bei Unheimlichem gegruselt. Aber nicht zuletzt sollen Stücke wie ‚Die Auferstehung des Georg Friedrich Händel‘ den Zuhörenden auch Mut in ihrem eigenen Genesungs- und Erholungsprozess machen. Denn die Geschichte von Stefan Zweig erzählt, wie der Komponist gegen die Folgen eines Schlaganfalls kämpfte, der seine rechte Hand gelähmt hatte – und wie er am Ende den ‚Messias‘ schuf.

Für Ilona Knobbe macht die Mischung den Reiz ihrer Tätigkeit in Bad Schmiedeberg aus. Und ganz unabhängig von Stück und Rolle ist es am Ende die sich im Applaus spiegelnde Freude des Kurpublikums, die ihre Leidenschaft fürs Theater auch nach über 40-jähriger Bühnenpräsenz nicht schmälert: „Wir Schauspieler sind eitel. Wenn es gelingt, wollen wir die Elogen ernten. Ohne Applaus ginge es nicht.“

Neben dem Kurtheater besteht im Eisenmoorbad auch ein Laientheater, das wir zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen möchten.

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