Zweieinhalb Monate war ein medizinisches Fachteam aus Vietnam zu Gast in Bad Schmiedeberg, um sich weiterzubilden. Mit neuem Wissen im Gepäck kehrten die vier Therapeutinnen und Therapeuten nun nach Ho-Chi-Minh-City zurück, um dort die landesweit erste Reha-Klinik zu eröffnen. Dieser Austausch war indes erst der Beginn einer langfristigen Kooperation, die auch dem Eisenmoorbad neue Perspektiven eröffnet.
Das vierköpfige Team, bestehend aus einem Arzt und drei Sport- bzw. Physiotherapeutinnen und -therapeuten, ließ sich in Bad Schmiedeberg in allen Bereichen der medizinischen Rehabilitation fortbilden. Dabei gab es zu Beginn – trotz verbindendem Englisch – ein paar Sprachbarrieren zu überwinden, vor allem wenn es um fachliche Ausdrücke ging, wie Kurdirektor Deddo Lehmann berichtet. Mit Smartphone und entsprechenden Übersetzungsprogrammen waren diese Schwierigkeiten aber rasch gelöst.
Die vietnamesischen Gäste interessierten sich für die generelle Arbeitsweise in Bad Schmiedeberg genauso wie für spezifische Behandlungsmethoden, insbesondere aber auch für die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Denn in der hier gewohnten strukturierten Form wird Rehabilitation in Vietnam laut Lehmann bisher nicht angeboten: „Es gibt klassische Krankenhäuser, Notfallmedizin sowie Physio- und andere Therapiemaßnahmen, aber keine organisierte Rehabilitation. Wir sind stolz, bei diesen Pionierarbeiten Unterstützung bieten zu können.“
Die erste Reha-Klinik in Ho-Chi-Minh-City soll Ende des Jahres eröffnet werden. Nach dem Aufenthalt in Bad Schmiedeberg sind die Therapeutinnen und Therapeuten wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, um dort den Aufbau zu begleiten und als Wissensmultiplikatoren zu fungieren. Bleibende Eindrücke haben sie aber nicht nur mitgenommen, sondern auch bei den Angestellten des Eisenmoorbades hinterlassen. „Es wurde einem bewusst, dass wir in Deutschland manchmal auf sehr hohem Niveau jammern“, so Kurdirektor Lehmann. „Zudem nimmt in Vietnam die Familie einen sehr hohen Stellenwert ein. Sich um die ältere Generation zu kümmern, ist eine Selbstverständlichkeit.“
Initiiert wurde die Kooperation mit Vietnam von Dr. Jörg Brandt, Chefarzt Orthopädie der Reha-Klinik in Bad Schmiedeberg. Bereits während früherer Tätigkeiten in Leipzig verbrachte er immer wieder Lehraufenthalte in dem südostasiatischen Land. Dass dieses Engagement nun weitergeführt werden kann, war ihm ein besonderes Anliegen: „Die Zusammenarbeit war immer langfristig angelegt für einen systematischen Aufbau einer Ausbildungsplattform. Wir beginnen in Ho-Chi-Minh-City, von da aus soll die physikalische und Rehabilitationsmedizin in ganz Vietnam verbreitet werden. Und man wächst ja auch zusammen, mit Aufenthalten dort und mit Kollegen, die herkommen.“ So ergeben sich auch für Brandt immer wieder neue fachliche Einblicke, etwa im Bereich der traditionellen chinesischen Medizin oder der Akupunktur.
Für Bad Schmiedeberg ist das Kooperationsprojekt laut Kurdirektor Lehmann zudem eine Gelegenheit, globaler zu denken und zu handeln. Anfang Mai weilte deshalb eine hochrangige Delegation der vietnamesischen Regierung im Eisenmoorbad, um die längerfristige Zusammenarbeit zu besiegeln. Neben dem Mitwirken bei der Gründung eines Deutsch-Vietnamesischen Gesundheitszentrums (gemeinsam mit weiteren medizinischen Institutionen und der Stadt Leipzig) ging es vor allem um eine Partnerschaft im Pflegebereich. Ziel ist, dass rund 15 ausgebildete Pflegekräfte aus Vietnam nach Bad Schmiedeberg kommen, um hier fünf Jahre lang zu arbeiten und ihr fachliches Wissen zu erweitern. Für den Kurort bedeutet dies eine Entlastung angesichts des schwer zu deckenden Bedarfs an Pflegekräften. Die jungen Vietnamesinnen und Vietnamesen erhalten im Gegenzug eine Weiterbildung sowie eine Entlohnung nach hiesigen Standards.
Noch gibt es einige bürokratische und administrative Hürden zu überwinden. Aber in Bad Schmiedeberg herrscht Zuversicht, dass im Frühjahr 2020 mit dem ersten Bildungsgang gestartet werden kann.