Der Kurpark ist das Herz eines jeden Kurortes. Auch in Bad Schmiedeberg. Die weitläufige Parkanlage bietet Raum für Erholung, Muße, Genesung. Und wer sich auf eine geführte Entdeckungstour begibt, findet und erfährt noch vieles mehr: Überraschendes, Abenteuerliches und Poetisches.
Den Blick über die üppigen Blumenbeete, die gepflegten Hecken und die Schatten spendenden Bäume schweifend, bringt es Constanze Zepperitz auf den Punkt: „Hier findet Therapie statt.“ Das gilt für sie als Leiterin der Kurgärtnerei genauso wie für alle anderen, die in den Kurpark von Bad Schmiedeberg kommen. Seien es Reha-Patienten, die zum ersten Mal wieder einen Spaziergang unternehmen können, Kur-Gäste, die ihre Seele baumeln lassen möchten, oder Mitarbeitende, die nach einem anstrengenden Tag einen Moment der Ruhe suchen.
Mit Blick auf eine ganzheitliche Genesung von Körper, Geist und Seele war der Aufenthalt in der Natur schon immer ein wesentlicher Bestandteil von Kuranwendungen. Und heute ist dieser Aspekt angesichts unseres reizüberfluteten Alltags wohl wichtiger denn je. Umso größeren Wert legt Bad Schmiedeberg auf die Pflege und Gestaltung der Park- und Grünanlagen, wie Constanze Zepperitz sagt.
Gerade dieses Jahr bedeutete dies eine besondere Herausforderung. Die lange Hitzeperiode und vor allem die Trockenheit haben den Pflanzen und Bäumen stark zugesetzt. Bei manchen, wie etwa den über 100 Jahre alten Buchen, wird sich das ganze Ausmaß erst nächstes Jahr zeigen. Erst dann wird man sehen, ob sie sich von den Strapazen erholen konnten. Aber auch bei den Birken, Eichen, Kiefern und bei manchen Sträuchern hat der ungewöhnlich heiße und trockene Sommer sichtbare Spuren hinterlassen. Etwas besser erging es den Blumen in den Wechselbepflanzungsbeeten – dank des automatischen Bewässerungssystems, das im Zuge der letzten Sanierung eingebaut wurde. Überall sonst musste das 13-köpfige Team der Kurgärtnerei selbst Hand anlegen, mit Rasensprengern, Bewässerungsfahrzeug und Schläuchen. Das erforderte zusätzlichen Einsatz auch regelmäßig an den Wochenenden.
Inzwischen legt sich langsam herbstliche Stimmung über die gesamte Kuranlage. Eine Stimmung, die gut zu einem besonderen Projekt passt, das Constanze Zepperitz in Bad Schmiedeberg ins Leben gerufen hat: die poetischen Gartenspaziergänge. Denn ihre Tätigkeit in den Parkanlagen und Poesie sind für sie eng miteinander verbunden. „Es geht darum, lange an etwas dranzubleiben und sich mit seinem ganzen Sein einzubringen“, erklärt sie. Vor 13 Jahren hat sie der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung nach Bad Schmiedeberg und damit zurück in ihre Heimat gebracht. Die Leidenschaft für ihre Tätigkeit in der von ihr komplett neu aufgebauten Kurgärtnerei spüren auch die Gäste, die mit auf einen poetischen Gartenspaziergang gehen. Constanze Zepperitz nimmt die Zuhörenden mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Sie erzählt etwa von Philipp Franz von Siebold, einem Naturforscher und Pflanzenjäger, der in den 1820er Jahren nach Japan reiste und von da unter anderem die Hortensien mit nach Europa brachte. Weil er – was damals verboten war – auch Landkarten in seiner wissenschaftlichen Sammlung führte, die mit dem Schiff nach Europa gebracht werden sollte, wurde er verhaftet und verbannt. Erst 30 Jahre später durfte er zurück nach Japan, um seine Frau und seine Tochter wiederzusehen.
Durch den Magnolienhain, die Moor- und Kräuterbeete führend kommen wir zum Rosengarten. „Die Rosenkultur ist auch ein Abbild der Menschheitsgeschichte“, sagt unsere Tourleiterin. „Sie bringt uns zurück zu den Wurzeln unserer Zivilisation.“ Mit ihren Ausführungen möchte Constanze Zepperitz veranschaulichen, dass hinter der Tätigkeit als Gärtnerin mehr steckt als reines Handwerk: „Da ist ganz viel Kultur dahinter.“ So bieten die Spaziergänge die Möglichkeit, die Parkanlage aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Daneben ist aber auch Platz für Austausch – oder für Kleingärtner-Tipps, wenn die Teilnehmenden von den Erfahrungen und dem Wissen der Expertin profitieren möchten. Und wie der Veranstaltungsname sagt, gehört auch Poetisches mit zum Repertoire. Die Worte eines Gedichts von Eva Strittmacher mit dem Titel „Vor einem Winter“ klingen auch lange nach Ende des Spaziergangs noch nach:
Ich mach ein Lied aus Stille
und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
geht ein in mein Gedicht.
Der See und die Libelle.
Das Vogelbeerenrot.
Die Arbeit einer Quelle.
Der Herbstgeruch von Brot.
Der Bäume Tod und Träne.
Der schwarze Rabenschrei.
Der Orgelflug der Schwäne.
Was es auch immer sei,
Das über uns die Räume
Aufreißt und riesig macht
Und fällt in unsre Träume
in einer finstren Nacht.
Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter.
Und so vergeh ich nicht.
(aus: Eva Strittmatter: Sämtliche Gedichte. © Aufbau Verlagsgruppe GmbH, Berlin 2006)
Hinweis: Der nächste poetische Gartenspaziergang findet am 22. September statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Treffpunkt ist um 15 Uhr beim Trinktempel auf der Kurpromenade.