Wer zum ersten Mal davon hört, mag zunächst zurückhaltend reagieren. Eine Radon-Kur? Also eine Kur mit radioaktivem Gas? Besonders Patientinnen und Patienten mit rheumatischen Erkrankungen oder entzündlichen Hautleiden schwören auf die Behandlung.
Auch in Bad Schmiedeberg – einem der wenigen Kurorte, der für Radon-Anwendungen zertifiziert ist. Ich wollte wissen, was genau hinter der Radon-Therapie steckt, die eine lange Tradition aufweist, aber auch kontrovers diskutiert wird.
Radon ist ein natürliches Edelgas, das in der Luft und in der Erde vorkommt. Trotzdem hätte in Bad Schmiedeberg niemand gedacht, Radon zu finden, als nach Wasser gebohrt wurde, wie Uwe Hesse, Marketingleiter des Eisenmoorbades, schildert. In den störungsanfälligen Granitschichten hatten sich offenbar Spalten gebildet, in denen sich das radonhaltige Wasser sammeln konnte, das heute aus dem Kurfürstenbrunnen fließt und eine ideale Konzentration für die therapeutischen Anwendungen aufweist.
Fünf Mal pro Woche nehmen die Kurgäste ein Radon-Bad – so wird das Edelgas über die Haut aufgenommen. Ergänzend wird das Heilwasser getrunken, wodurch das Radon über den Magen-Darm-Trakt in den Blutkreislauf gelangt. Die dritte übliche Therapieform bei Radon, das Inhalieren, kommt in Bad Schmiedeberg laut Uwe Hesse nicht zur Anwendung, weil die Konzentration dafür zu gering sei.
Die Kontroversen um den medizinischen Einsatz von Radon gründen darauf, dass hohe Dosen ein unbestrittenes Risiko für Lungenkrebs darstellen. In diesem Zusammenhang ist auch die sogenannte „Schneeberger Krankheit“ bekannt – benannt nach dem sächsischen Schneeberg, wo Bergleute im Erzgebirge wegen hoher Radon-Konzentration früh an Bronchial- und Lungenkrebs starben. Berechnungen zufolge waren die Arbeiter während Jahren einer Belastung von mehreren Sievert (Maßeinheit zur Berechnung von Strahlungsrisiken) ausgesetzt. Bei einer mehrwöchigen Badekur beträgt dieser Wert laut Experten rund ein Millisievert, also ein Bruchteil davon.
Zudem weisen verschiedene Studien auf eine schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung von Radon hin, etwa bei Morbus Bechterew. Demnach erfuhren Betroffene im Schnitt während neun Monaten eine Besserung und mussten rund ein Jahr lang weniger Schmerzmittel zu sich nehmen. Gemäß Balneologen wird durch die niedrigdosierte Strahlung im Organismus ein kurzer Reiz ausgelöst, der dazu führt, dass Organe und Zellen stimuliert und die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert werden. Zudem soll das Radon freie Radikale unschädlich machen, die besonders bei rheumatischen Erkrankungen, aber auch beim Alterungsprozess eine bedeutende Rolle spielen.
Unter dem Namen „GREWIS“ befasst sich ein aktuelles, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt mit dem Thema. Dabei hält das Forscherteam fest, dass die schmerzlindernden Effekte von niedrigdosierten Radon-Therapien seit Jahrhunderten bekannt seien, bei Erkrankungen des Bewegungsapparates (wie Rheuma, Arthrose oder eben Morbus Bechterew) genauso wie bei Erkrankungen der Atemwege (Asthma oder chronische Bronchitis) und der Haut (Neurodermitis, Schuppenflechte etc.). Weitere Erkenntnisse erhofft man sich in Bezug auf die konkreten zellulären und molekularen Wirkmechanismen. Erste Hinweise deuten auf Veränderungen von Immunzellen hin, wodurch Entzündungen gehemmt werden und der Knochenabbau sich verlangsamt.
Auch in Bad Schmiedeberg sind die Erfahrungen mit der Radon-Therapie positiv. Patientinnen und Patienten berichten von Schmerzlinderung und kommen zurück, wenn der nächste Krankheitsschub eintritt.
Wie bei allen Behandlungsformen geht es letztlich auch bei einer Radon-Therapie um ein Abwägen der Risiken und möglichen Nebenwirkungen unter fachkundiger ärztlicher Beratung.