Die Sonne scheint, alle sind bereit für die anstehende Nordic-Walking-Tour. Die frische Luft und die gut gelaunte Stimmung lassen für einen Moment vergessen, weshalb man eigentlich in Bad Schmiedeberg ist – und welch beschwerlicher Krankheitsweg hinter einem liegt.
Denn obwohl Endometriose eine der verbreitetsten gynäkologischen Erkrankungen ist, bleibt sie oft unerkannt. Und selbst mit Diagnose gehen die wenigsten Betroffenen in die Reha – obwohl sie Anspruch darauf hätten.
Wie Dr. Claus Peter Cornelius, Chefarzt Gynäkologie des Eisenmoorbades, im Gespräch erklärt, wissen viele Betroffene gar nicht, dass Endometriose eine Indikation für eine Rehabilitationsmaßnahme ist. So kommt es, dass deutschlandweit pro Jahr gerade mal 400 Maßnahmen verordnet werden, während es bei Brustkrebs rund 40‘000 sind. Und das, obschon schätzungsweise jede zehnte Frau hierzulande an einer Endometriose leidet und jedes Jahr über 30‘000 Neuerkrankungen gezählt werden.
Laut Dr. Cornelius ist der Reha-Anspruch auf jeden Fall nach einem operativen Eingriff gegeben: „Wenn Patientinnen während fünf, sechs oder gar 13 Stunden auf dem OP-Tisch liegen, dann haben sie Rehabilitationsbedarf.“ Denn ähnlich wie bei Krebserkrankungen können sich auch Endometriose-Herde im ganzen Körper ansiedeln, was aufwändige Eingriffe zur Folge haben kann. Von Vorteil ist, sich direkt nach der Operation überweisen zu lassen. Werden Anträge erst gestellt, wenn man bereits wieder zu Hause ist, kann es schwierig sein, eine Bewilligung zu erhalten.
Bad Schmiedeberg ist seit vielen Jahren für die Behandlung von Endometriose-Patientinnen bekannt – und zwar weit über die Landesgrenzen hinaus. Grund dafür ist ein ganzheitliches Therapiekonzept, das der Komplexität des Krankheitsbildes Rechnung trägt. Endometriose ist chronisch und begleitet die Betroffenen bis zu den Wechseljahren. Gewebe, wie es eigentlich nur in der Gebärmutterschleimhaut vorkommen sollte, findet sich an anderen Stellen, an Eierstöcken oder Eileiter, Darm oder Blase, am Bauchfell oder gar an der Lunge. Da diese Herde zyklisch wachsen und bluten, kommt es zu Entzündungen, Zysten, Verwachsungen und Vernarbungen. Für eine eindeutige Diagnose braucht es eine Bauchspiegelung, die nicht zur gynäkologischen Standarduntersuchung gehört. Oft ist es erst der unerfüllte Kinderwunsch, der bei Gynäkologen den Verdacht auf Endometriose aufkommen lässt.
In Bad Schmiedeberg absolvieren die Betroffenen die Therapieeinheiten gemeinsam in Kleingruppen. Wie wertvoll dieser Austausch sein kann, wird klar, wenn man sich die Leidensgeschichten der Betroffenen anhört, die im Kern immer ähnlich klingen: Fast ausschließlich sprechen die Frauen von starken Regelschmerzen, bis hin zu Übelkeit und Ohnmacht. Für einige Betroffene vergeht kein Tag ohne Schmerzen. Viele haben Beschwerden, wenn sie auf die Toilette gehen oder Sex haben. Hinzu kommen jahrelange Ärzte-Odysseen und das vermittelte Gefühl, vielleicht einfach zu empfindlich zu sein. Immer wieder müssen sich Betroffene nämlich anhören, dass Schmerzen nun mal dazugehören zum weiblichen Menstruationszyklus. Oder sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie bei der Arbeit ausfallen, weil die Schmerzen sie tagelang ans Bett fesseln.
Auch in Bad Schmiedeberg berichten Patientinnen immer wieder von Mobbing am Arbeitsplatz, wie Dr. Cornelius sagt. Überhaupt betont er die große psychische Belastung durch die Krankheit angesichts ihrer Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche. Psychologische Angebote bilden in Bad Schmiedeberg deshalb einen wesentlichen Bestandteil des Behandlungskonzeptes. Die Bewältigung der Krankheit, Auswirkungen auf die Partnerschaft, der Umgang mit Schmerzen und unerfülltem Kinderwunsch sind Themen, die in Gruppen- und Einzeltherapiegesprächen zur Sprache kommen. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der Einsatz von Moor in verschiedenen Anwendungen. Die direkte intravaginale Applikation beispielsweise bewirkt, dass die natürlichen Wirkstoffe – etwa bei Patientinnen mit Mehrfachoperationen und bestehenden Verwachsungen – schneller aufgenommen werden. Zudem wird die Durchblutung stark gefördert, was wiederum einen positiven Effekt auf eine mögliche Schwangerschaft haben kann.
Laut Dr. Cornelius spielt aber auch die Ernährung eine große Rolle – und natürlich Bewegung. Die Nordic-Walking-Tour, die nun ansteht, ist darum nur ein Programmpunkt im wöchentlichen sport- und bewegungstherapeutischen Behandlungsteil. Die Wirkung geht dabei über den medizinischen Aspekt hinaus. Die gemeinsamen Aktivitäten sorgen für eine lockere Atmosphäre und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Für die Betroffenen ein nicht zu unterschätzender Faktor. So schrieb eine Patientin nach ihrem Aufenthalt in Bad Schmiedeberg im Online-Forum der europäischen Endometriose Liga: „Ich habe super Frauen dort kennengelernt. Wir konnten uns über unsere Krankheitserfahrungen austauschen. Aber vor allem hatten wir viel Spaß!“