Nordic Walking

Sport ist kein Mord für künstliche Gelenke – Teil I

Die Implantation von Hüft- und Kniegelenken gehört in Deutschland heute zu den häufigsten Operationen mit vollstationärem Aufenthalt. Viele Patientinnen und Patienten stellen sich die Frage, ob und wie sie wieder sportlich aktiv sein können.

Kein Zweifel besteht daran, dass sportliche Aktivitäten positive Auswirkungen auf die körperliche und seelische Gesundheit haben. Allerdings befürchten Endoprothetik-Patienten häufig, dass die Prothesen durch Sport oder falsche Bewegungen Schaden nehmen könnten und vermeiden daher entsprechende Aktivitäten. Diese Angst ist grundsätzlich unbegründet. Ein selbst auferlegtes Sportverbot ist heute in den meisten Fällen unnötig.

Neue Materialien machen Vieles möglich

Früher wurde die These vertreten, dass künstliche Gelenke möglichst nur zurückhaltend belastet werden dürfen, um eine Lockerung der Prothese zu vermeiden. Grund dafür waren die damals verwendeten Materialien: Es waren relativ weiche Polyethylene, die selbst bei geringer körperlicher Belastung im Zusammenspiel mit einem Hüftgelenkkopf aus Metall viel Abrieb verursachten, der in der Umgebung des Kunstgelenks Entzündungen auslösen konnte. Diese Entzündungen führten zu Knochenabbau rund um die Prothese, wodurch der Halt verloren ging und sich das Kunstgelenk lockerte. In der Folge war es erforderlich, das Gelenk auszuwechseln. Der ärztliche Rat zur Zurückhaltung mit sportlichen Aktivitäten führte jedoch dazu, dass sich die Patienten eher zu wenig bewegten.

Diese Empfehlung ist heutzutage überholt. Ende der 1990er Jahre kamen neue Materialien für Gelenkpfanneneinsätze (sog. Inlays) auf den Markt, die nachweislich eine um 90% geringere Abriebrate haben als die zuvor verwendeten. Es handelt sich um hochvernetztes Polyethylen (HXPE) bzw. Vitamin-E-haltiges HX-Polyethylen, welches vor allem im Zusammenspiel mit Gelenkköpfen aus Keramik fast abriebfrei ist. Daher sind Gelenkpfanneneinsätze aus diesem Material deutlich belastungsfähiger, so dass die Voraussetzung für tägliche moderate Bewegung bei jedem Patienten möglich und gewünscht ist.

Gezieltes Training unter medizinischer Begleitung

Vorteilhaft ist zunächst eine gezielte Muskelkräftigung rund um das Implantat, was die Haltbarkeit der Prothese erhöht. Aber auch bei Einsatz des modernen Prothesenimplantats ist zu beachten, dass schonender und regelmäßiger Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren oder Wandern frühestens drei, besser erst sechs Monate nach der Operation ausgeübt werden soll. Selbstverständlich muss das künstliche Gelenk erst vollständig verankert sein, bevor es der durch körperliche Aktivität und Sport erhöhter Belastung ausgesetzt werden darf. Immerhin tragen beispielsweise die Hüftgelenke bereits bei einer Gehstrecke von 1 bis 5 km das 2,5- bis 4,8-Fache an Körpergewicht, bei den Kniegelenken bewegt sich der Belastungsfaktor zwischen dem 2,1- bis 2,8-fachen Körpergewicht.  Dieser Belastungsfaktor erhöht sich beispielsweise beim Stolpern für die Hüftgelenke auf das 5,5-bis 8,7-Fache und beim Alpin-Skifahren auf das 4,1- bis 7,8-Fache des Körpergewichts.

Um die Verankerung der Prothese zu fördern, empfiehlt sich in der Zeit nach der Operation möglichst frühzeitig der Beginn mit Krafttraining. In der Rehabilitation nach Implantation einer Hüft- oder Knieprothese zeigen Studien, dass ein hochintensives Krafttraining mit sich schnell steigernden Übungsintervallen deutlich mehr Kraftleistung der Muskulatur rund um das Kunstgelenk ergibt als ein Training mit niedriger Dosierung. Das Krafttraining sollte alle größeren Muskelgruppen der unteren Extremität und des Rumpfes einbeziehen. Bei der Planung und Durchführung des Krafttrainings steht Ihnen unser medizinisches und therapeutisches Personal kompetent zur Seite.

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Im zweiten Teil, den wir in 14 Tagen veröffentlichen werden, geht es um spezifische Sportarten, die sich mit künstlichen Gelenken besonders eignen. Wir nennen aber auch solche, die Sie eher vermeiden sollten.

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Autor: Dr. med. Alexander Schmidt ist seit 2015 Ärztlicher Direktor der Rehabilitationskliniken und Chefarzt Orthopädie im Eisenmoorbad. 

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