In jedem Winkel versteckt sich eine Geschichte

Als er klein war, lauschte er den Erzählungen seines Großvaters. Und schon bald erwachte die Faszination für die Geschichte seiner Heimatstadt. Felix Saul führt seit über 40 Jahren Kurgäste und andere Interessierte durch die Straßen von Bad Schmiedeberg und lässt sie eintauchen in die Vergangenheit.

Der heute 72-Jährige kennt in Bad Schmiedeberg jeden Stein und jeden Winkel, in dem sich eine Anekdote versteckt. Die Bäckerei seiner Eltern war ein Traditionsbetrieb, gelegen am Marktplatz gegenüber des Rathauses. Hier gingen der Bürgermeister und andere „wichtige Leute“, die das Geschick der Stadt leiteten, ein und aus. Wenn es möglich war, begleitete Felix Saul seinen Großvater, ebenfalls ehemaliger Bäckermeister, bei dessen Besorgungstouren, die ihn zu unterschiedlichen Handwerkern führten. „Dabei wurden viele Geschichten und Begebenheiten aus der Stadt von früher erzählt“, erinnert sich der Stadtchronist.

Diese Erlebnisse waren prägend. Geschichte wurde in der Schule zu seinem Lieblingsfach. Und nur zu gern vertiefte er sich in Bücher, die er von einem pensionierten Lehrer erhalten hatte – über die Vergangenheit Bad Schmiedebergs und der Dübener Heide.

Unerwarteter Anfang

Und wie so oft, wenn Dinge natürlich ihren Lauf nehmen, half auch der Zufall ein bisschen nach: Beim Skatspielen, das Felix Saul in seiner Jugend begeisterte, lernte er einen Bad Schmiedeberger kennen, der nicht nur mit dem damaligen Stadtchronisten befreundet, sondern selbst für die Stadtführungen verantwortlich war. Zunächst lief Felix Saul mit den Gruppen mit, hörte zu, lernte aufgrund von schriftlichen Aufzeichnungen, die er erhalten hatte – und durfte auch mal ergänzen, wenn zusätzliche Fragen auftauchten.

An einem Sonntag im Dezember 1978 war es dann so weit: „Er rief mich an und fragte mich, ob ich mir zutrauen würde, eine Führung allein durchzuführen, da er erkrankt war.“ Felix Saul sprang ein, machte die Sache zur Zufriedenheit aller – und durfte plötzlich in die Fußstapfen seines Vorgängers treten, weil dieser schon 80 war.

Zehntausende streiften durch Bad Schmiedeberg

Über 1.000 Führungen später ist die Freude an der Stadtgeschichte Bad Schmiedebergs noch nicht verklungen. Rund 40.000 Menschen hat er seither durch die Straßen gelotst und ihnen von der bewegten Vergangenheit erzählt; Kurgästen, Touristen, aber auch Einheimischen. Zu den wichtigsten Stationen seiner Touren gehören neben dem Jugendstilkurhaus und der evangelischen Kirche aus dem 15. Jahrhundert das alte Stadttor und das Radfahrerdenkmal im Kurpark des Eisenmoorbades.

Das Stadttor trägt den Namen „Autor“ als Tor zur Elbaue. Eine Rarität ist die Monduhr, die im Giebeldreieck über dem normalen Ziffernblatt der großen Uhr zu sehen ist. Der Kur- und Verkehrsverein Bad Schmiedeberg hält dazu fest: „Eine Kugel mit zwei unterschiedlichen Farbhälften, goldfarben für das Sichtbare des Mondes und dunkelblaugrün für das Nichtsichtbare des Mondes, zeigen durch Linksdrehung um die eigene Achse die jeweilige aktuelle Mondphase an. Es ist kein Riesenwerk astronomischer Uhrenbaukunst, aber vermutlich einzigartig für ein Stadttor in Deutschland.“

Brücken in die Vergangenheit

Einzigartig ist auch das Radfahrerdenkmal vom Bund Deutscher Radfahrer, das an die Kameraden erinnert, die zwischen 1914 und 1918 gefallen sind. Und nicht nur das: Eingeweiht am 17. Juni 1923 im Beisein von Tausenden von Radfahrenden und nach der Wende restauriert, befindet es sich „am geometrischen Mittelpunkt des einstigen Deutschen Kaiserreiches“, wie Felix Saul schildert.

Es sind seine Erzählungen, die dazu führen, dass all die geschichtsträchtigen Orte in Bad Schmiedeberg wieder zum Leben erweckt werden.

Die nächsten Stadtrundgänge für die Gäste des Eisenmoorbades finden am 19. September und am 3. Oktober statt. Treffpunkt ist das Foyer im Kurhaus.

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Autorin: Bettina Bichsel bloggt für das Eisenmoorbad rund um Lesenswürdiges, Medizinisches, Gesundes und Kneipp-Spezifisches.  

 

 

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