„Das Wasser hat große Wirkungen, es leistet mitunter Unglaubliches“, davon war Sebastian Kneipp überzeugt.
Hätte er sich für ein einziges Heilmittel entscheiden müssen, dann wäre seine Wahl – zumindest der Überlieferung zufolge – zweifellos auf das Wasser gefallen. Über 100 Anwendungen hat er entwickelt: Kalt, warm oder wechselnd, am ganzen Körper oder nur an bestimmten Partien. Und das Beste ist, vieles davon lässt sich ganz einfach zu Hause anwenden.
Bäder, Waschungen, Güsse, Wickel und Dämpfe – wie Dr. Iris Kröber, Badeärztin im Eisenmoorbad Bad Schmiedeberg, erklärt, ist es Kneipp mit seinen Anwendungen gelungen, über die Heilkraft des Wassers schonend, aber besonders exakt auf den gesamten Körper einzuwirken. Er nutzt dabei den Umstand, dass die Haut, die bei den Anwendungen als erstes mit dem Wasser in Berührung kommt, verschiedene wichtige Funktionen für unser Wohlbefinden übernimmt: Sie produziert und speichert wichtige Vitalstoffe wie Vitamin D, Spurenelemente und Mineralsalze, schützt und isoliert, steuert die Wärmeregulierung und scheidet – über die Hautatmung – Abfallstoffe aus. Millionen von Nervenzellen reagieren besonders sensitiv auf Temperaturunterschiede. Diese thermischen Reize also, die durch die Kneippschen Kälte- und Wärmeanwendungen ausgelöst werden, regen unseren Organismus in positiver Weise an.
Als ziemlich kälteempfindlicher Mensch graute mir etwas vor dem kühlen Nass. Ich nahm mir aber Kneipps Rat zu Herzen, der meinte: „Selbst der Schwächste und Empfindlichste möge sich nicht abschrecken lassen.“ Also kremple ich meine Hosenbeine hoch, um zum Wassertreten ins Becken zu steigen. Währenddessen beschreibt Frau Dr. Kröber, was durch die Kälteanwendung geschieht: Die Gefäße werden zunächst reflexartig verengt, dann aber stärker durchblutet und dadurch wieder weiter. Die Produktion verschiedener Stoffe (z. B. Cortisol und Adrenalin) wird angeregt, was die Abwehrkräfte gegen Infektionen stärkt. Auch schmerzlindernd und entzündungshemmend wirkt das kalte Wasser. Zudem folgt auf die Erfrischung ein angenehmes Gefühl der Wärme und Entspannung, was wiederum bei Ein- und Durchschlafstörungen unterstützend sein kann.
Regelmäßig über mehrere Wochen wiederholt haben die Kälteanwendungen einen positiven Einfluss auf die Herzfunktion, das vegetative Nervensystem, die Verdauung, den Hormonhaushalt, das Immunsystem und das psychische Wohlbefinden. An die Kälte gewöhnt man sich mit der Zeit. Zudem sollte man sich ohnehin vor der Anwendung kurz aufwärmen.
Wie lässt es sich nun aber bequem zu Hause kneippen?
Wassertreten kann man in der Badewanne, aber auch draußen in einem Bach, im taufrischen Gras oder im Schnee. Nutzt man die Badewanne, wird sie bis zu ca. 3/4 mit kaltem Wasser gefüllt. Die Beine werden jeweils komplett aus dem Wasser gehoben.
Bäder – ob als Vollbad oder nur für Arme oder Beine – wirken entspannend und fördern die Durchblutung. Mit einem Kräuterzusatz werden sie zudem zur Aromatherapie.
Ansteigendes Armbad: Das Wasser (im Waschbecken) sollte rund 30°C sein. Dann werden die Arme bis zu den Ellbogen eingetaucht. Langsam lässt man heißes Wasser einlaufen, bis die Temperatur auf 40°C steigt. Das Bad hilft z. B. bei Erkältungen, aber auch – aufgrund der durchblutungsfördernden Wirkung – bei Polyneuropathie, die oftmals als Folge von Diabetes auftritt.
Ansteigendes Fußbad: Die Badewanne oder ein Becken mit Wasser (ca. 33°C) füllen und die Füße darin abstellen. Dann warmes Wasser nachgießen, so dass die Temperatur auf 42°C steigt. Nach ca. 15 Minuten das Bad beenden und warme Socken (Wollsocken) anziehen. Ansteigende Fußbäder nützen bei Erkältungen oder Schüttelfrost.
Wechselfußbad: Zwei Schüsseln werden mit Wasser gefüllt, eine mit kaltem, die andere mit heißem. Zunächst hält man die Füße rund 5 Minuten ins warme Wasser, dann eine halbe Minute ins kalte. Die Anwendung wiederholen und warme Socken überstreifen. Solche Wechselbäder sind hilfreich bei Kreislauf- und Immunschwächen, Einschlafstörungen und Erschöpfung.
Güsse funktionieren am besten mit einem Schlauch, der so gehalten wird, dass das Wasser die Haut umhüllt. Der Druck sollte nicht zu stark sein. Kalte Güsse wirken anregend, warme massierend und lockernd.
Armguss: Beginnend auf dem Handrücken wird der Wasserstrahl auf der Außenseite über den ganzen Arm bis zur Schulter geführt und auf der Innenseite wieder zurück. An jedem Arm drei Wiederholungen. Die Anwendung wird bei niedrigem Blutdruck, Durchblutungsstörungen, Kreislaufproblemen und Müdigkeit empfohlen.
Beinguss: Von der Ferse wird der Wasserstrahl auf der Rückseite des Beins bis zur Hüfte geführt, dann auf der Vorderseite zurück zum Fuß. Das Bein wechseln und anschließend nochmals bei beiden Beinen eine Wiederholung. Beingüße werden bei Krampfadern und geschwollenen, schmerzenden Beinen eingesetzt, aber auch bei Kopfschmerzen und zur Verdauungsförderung.
Nackenguss (warm): Der Wasserstrahl wird über den Arm außen bis zur Schulter und weiter zum Nacken geführt. Hier bewegt man ihn ein paar Mal hin und her. Danach geht es weiter bis zur anderen Hand. Hilfreich bei Kopfschmerzen und Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich.
Wickel und Umschläge werden auf die betroffenen Körperstellen gelegt. Kalte Wickel wirken entzündungshemmend und abschwellend. Warme Umschläge eignen sich beispielsweise bei Kälte- oder Völlegefühl, Magen- und Darmkrämpfen, bei schwacher Durchblutung oder bei Nervosität.
Grundsätzlich rät Frau Dr. Kröber zudem, folgende Tipps zu beachten:
Nach einem warmen Bad sollte man sich kurz kalt abduschen.
Sich nicht abtrocknen, sondern das Wasser nur abstreichen und trockene Kleider anziehen. Durch die zusätzliche Verdunstungskälte wird die Haut noch stärker durchblutet und der Kreislauf angeregt.
Nach jeder Anwendung eine Pause von mindestens einer Stunde einlegen.
Vor und nach einer großen Anwendung sollte man eine Stunde lang nichts essen.