Ja, Sie lesen richtig: Wir alle könnten länger leben! Wie? Das zeigt eine Studie aus den USA, die über 700.000 Veteraninnen und Veteranen zwischen 2001 und 2019 gesundheitlich begleitete. Die ausschlaggebenden Faktoren haben wir im letzten Gästemagazin aufgeführt.
Hier sind sie noch einmal zur Erinnerung:
- körperliche Aktivität
- gute Ernährung
- resilienter Umgang mit Stress
- regelmäßiger und erholsamer Schlaf
- positive soziale Beziehungen
- Vermeidung krebserregender Stoffe
Die ersten beiden Faktoren haben wir bereits erläutert. Schauen wir uns nun die anderen an.
Gute Nacht, Sorgen!
»Resilienz« ist in aller Munde: Doch was bedeutet das? Ursprünglich entstammt dieser Begriff der Physik und beschreibt Werkstoffe, welche die Fähigkeit haben, nach einem Zustand extremer Spannung wieder ihre ursprüngliche Form anzunehmen. Sie sind »resilient«. Übertragen auf uns Menschen beschreibt der Begriff die seelische Widerstandsfähigkeit bei Krisen, Krankheiten, Alltagsstress und Schicksalsschlägen. Man kann sie stärken, indem man sich durch vertraute Personen unterstützen lässt, Probleme nicht als unüberwindbar einstuft, einen Plan zur Problemlösung schmiedet und neue Chancen und Wege sucht, wenn vermeintliche Katastrophen den Weg versperren.
In diesem Zusammenhang spielt auch erholsamer Schlaf eine wichtige Rolle. Durch die Restauration des Körpers und insbesondere des Gehirns erholen wir uns von den Strapazen des Tages und haben Kraft für die nächsten Herausforderungen. Im Schlaf regenerieren die Zellen, werden Muskeln aufgebaut und wichtige Hormone produziert. Das Immunsystem wird gestärkt und das Gehirn durch biochemische Prozesse von schädlichen Ablagerungen gereinigt.
Je erholsamer der Schlaf ist, desto effektiver restauriert sich der Körper. Zwischen sieben und acht Stunden beträgt die optimale Schlafdauer, wobei die Schlafqualität durch eine harmonische Umgebung und kühle Temperaturen um 17 Grad Celsius gesteigert werden kann.
Kaffeekränzchen oder Wandergruppe?
»Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen. Sogar die Wüste von Theben wurde schließlich besiedelt.« (Oscar Wilde)
Das Bedürfnis nach Gemeinschaft liegt in unseren Genen. Der Austausch mit anderen gibt uns Bestätigung, Impulse für Neues und bietet ein Netzwerk, um Freud und Leid teilen zu können. Einsamkeit hingegen steigert das Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken, um 40%. Der Grund dafür wird darin gesehen, dass einsame Menschen selten anregende Gespräche führen und Unternehmungen wagen, die die Gehirnaktivität ankurbeln.
Ebenso kann unfreiwillige Einsamkeit zu einer pessimistischen Lebenseinstellung führen, die Lebensfreude einschränken und auf diese Weise zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO, positive soziale Kontakte zu pflegen, ist demnach nicht zu vernachlässigen. Sie trägt ebenso wie die anderen Faktoren dazu bei, dass wir alle gesund bleiben und unsere Lebenserwartung steigt. Also, wie wäre es mit einer Mitgliedschaft im Gesangverein, einem gemeinsamen Theater-Abo mit den netten Nachbarn oder der Gründung eines Buchclubs im eigenen Wohnzimmer? Was immer es sein soll, wir haben es in der Hand.
»Es ist ein Brauch von alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör.«
Wilhelm Busch (Die fromme Helene) mag recht haben. Aber nur weil man ihn hat, muss man ihn nicht trinken. Alkohol, aber auch Nikotin und andere Suchtmittel lassen Sorgen nicht verschwinden, machen krank und verkürzen unser Leben.
Die Abbauprodukte des Alkohols erhöhen bei übermäßigem und regelmäßigem Konsum das Risiko, an Krebserkrankungen der Leber und des Verdauungstrakts zu erkranken. Aber auch Erkrankungen des Herzens, des Nervensystems, der Muskeln und des Gehirns können die Folge sein. Der Europäische Krebs-Codex empfiehlt daher Männern, nicht mehr als 20 g und Frauen maximal 10 g reinen Alkohols pro Tag zu sich nehmen, was zwei bzw. einem Drink entspricht. Außerdem soll an mindestens zwei bis drei Tagen vollständig auf Alkohol verzichtet werden.
Im Jahr 2018 war Tabakrauch verantwortlich für 19% aller Krebs-Neuerkrankungen. Er enthält viele krebserregende Stoffe, die nicht nur zu Lungenkrebs führen, sondern auch das Krebsrisiko für andere Organe erhöhen. Viele Menschen, die bereits seit langer Zeit Raucher sind, sehen keinen Sinn darin, den mühsamen Weg der Entwöhnung zu gehen. Aber es lohnt sich: Das Risiko für Lungenkrebs sinkt nach fünf Jahren ohne Zigaretten um 50%. Pure Motivation für ein längeres Leben!
UV-Strahlen stehen ebenso wie stark verarbeitetes Fleisch und Tabakrauch auf der Liste krebserregender Stoffe. Sonnenbaden wie in den 1980ern ist daher heute nicht mehr gefragt. Zum einen sehen wir durch die Veränderungen der Haut im wahrsten Sinn des Wortes alt aus, werden es aber vielleicht nicht, weil wir an Hautkrebs erkranken. Machen wir also der Kosmetikindustrie eine Freude und kaufen Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor, um unser Erkrankungsrisiko zu minimieren.
Schon Kneipp wusste es
Einige von Ihnen haben vielleicht bereits unser Kneipp-Therapiezentrum besucht oder sich über die Angebote der Kneipp-Therapie in unserer Klinik informiert. Dann kommt Ihnen der Inhalt dieses Artikels möglicherweise wie ein »alter Hut« vor, zumindest aber sind Ihnen die Fakten schon einmal begegnet. Bestandteile der Kneipp-Therapie wie gesunde Bewegung, vollwertige und pflanzenbasierte Ernährung sowie innere Balance finden sich in den Empfehlungen der WHO wieder, wenn auch aktueller formuliert und auf die heutige Zeit angepasst. Die positiven Effekte sind durch wissenschaftliche Studien belegt
Ob Sebastian Kneipp oder die WHO: Ein längeres Leben oder zumindest der Zugewinn an Lebensqualität durch Bewegung, gutes Essen und ein gesundheitsförderndes Umfeld ist kein leeres Versprechen. Wir können beeinflussen, ob und wie wir alt werden.
*
Autor: Dr. med. Alexander Schmidt ist seit 2015 Ärztlicher Direktor der Rehabilitationskliniken des Eisenmoorbades und Chefarzt Orthopädie der Rehaklinik 1. Er ist Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie sowie für Orthopädie.